Natur im Kleingarten

Ein Beitrag von Harald Schäfer, Fachberater des Landesverbandes der Gartenfreunde Baden-Württemberg

Auf dieser Seite eingefügt mit seiner freundlichen Genehmigung.

Bilder von Diana Schindler (Fachberatung)

 Bei Telefonaten über „Problemgärten“ wird von den betroffenen Pächterinnen und Pächtern nicht selten versucht, offensichtliche Pflegerückstände als „naturnahe Gartenbewirtschaftung“ zu beschönigen.

Andererseits müssen wir aber auch ab und zu Obleuten und Vorständen erklären, dass es kein Zeichen von nachlässiger Pflege ist, wenn Lavendel, Spornblume, Persischer Ehrenpreis oder andere „Fugenpflanzen“ zwischen den Betonplatten der Wege sprießen oder wenn der Rasen aus mehr Löwenzahn, Weißklee, Ehrenpreis, Gundermann und Gänseblümchen besteht als aus Gräsern.

Scheinbar bestätigt wird das Zerrbild von überpeniblen Vorständen durch einschlägige Internet-Beiträge wie diesen, in dem der Vorstand mit einem Heckenhöhen-Winkelmaß die Hecken entlang der Wege abschreitet – fehlt nur noch die Wasserwaage zur Kontrolle des - im übrigen unfachgerechten – vertikalen Schnittes der Seitenflächen…

 

Ab dem 01.01.2023 ist der Landesverband Mitglied bei Natur im Garten Deutschland e.V. und damit berechtigt, Naturgärten zu zertifizieren und mit einer Plakette auszuzeichnen.

Dies sei zum Anlass für ein eingehenderes Betrachten zur Vereinbarkeit von Natur- und Kleingarten genommen:

Wie eingangs festgestellt, ist ein Naturgarten kein Garten, der der Natur zur alleinigen weiteren Nutzung überlassen wird, sondern ein Garten, der

a)  nach dem Vorbild der Natur gepflegt wird und der sich

b)  durch eine zielgerichtete Förderung der Biodiversität auszeichnet, also durch geeignete „zusätzliche Einrichtungen“ möglichst vielen Pflanzen und Tieren einen Lebensraum bietet.

 

Naturnahe Gärten erfordern folglich eine wohlüberlegte, auf den äußeren Rahmenbedingungen (Bodenart und Nährstoffreserven, Lokalklima, vorhandene Lebensräume in der Umgebung, etc.) aufbauende Gartengestaltung z.B. mit Lesestein- oder/und Totholzhaufen, Trockenmauern, Sandarium (offene Sandfläche für bodenbrütende Wildbienen), Wasserstelle, fachlich richtig ausgeführte Wildbienenhotels und Nistmöglichkeiten für andere Tiere, sowie eine durchdachte Pflanzenauswahl: Insektenfreundliche Pflanzen idealerweise so kombiniert, dass ein durchgängiges Nektar- und Pollenangebot von Spätwinter bis Spätherbst gegeben ist, Wildobstgehölze und – ganz wichtig – die Wahl robuster, wenig schädlingsanfälliger Sorten bei Gemüse und Obst.

 

Über allem aber steht die Einhaltung der „Kleingärtnerischen Nutzung“, d.h. mindestens 1/3 der Parzellenfläche muss (!) für den Anbau von Gemüse und Obst genutzt werden, wobei mindestens 1/6 der Parzellenfläche als Gemüsebeete anzulegen sind – idealerweise als Mischkulturen. Diese „Drittelnutzung“ ist auch in einem Naturgarten zwingend einzuhalten!

 

Auch – und ganz besonders für einen Naturgarten gilt: Wenn schon auffallen, dann bitte positiv – sprich: Der optische Eindruck sollte nicht vergessen werden.

Es macht nämlich schon einen großen Unterschied, ob ein Totholzhaufen so aussieht, als ob er nur auf den Häcksler wartet oder ob er geordnet geschichtet am richtigen Platz – also eher im Hintergrund - also gewollt wirkt - und zur „Krönung“ noch von einer Kletterpflanze umschmeichelt wird.

Auch ein Lesesteinhaufen muss nicht so aussehen wie von der Ladefläche gekippt, sondern kann durch „handwerkliches“ Aufschichten und lockeres (!) Bepflanzen mit geeigneter „Fugenvegetation“ zu einem Hingucker werden.

Dickere Totholzäste, Stammabschnitte oder bizarre Wurzelstöcke können in naturnahe Staudenrabatten integriert werden – je durchdachter und ansprechender ein solcher Naturgarten gestaltet ist, desto mehr Werbung macht er für die gute Sache!

Daher sollten wirkliche „Naturgärtner/innen“ großen Wert auf einen optisch positiven Eindruck ihrer Parzelle legen, denn auch hier sagt ein schönes Bild mehr als hundert einen unschönen Eindruck zu retten versuchende Worte.

 

Während sich im Frühling und Sommer Naturgärten meist nicht allzustark von den sie umgebenden „konventionell bewirtschafteten“ Gärten abstechen, bieten sie im Spätherbst und über den Winter durchaus Diskussionsstoff, denn der „Generalrückschnitt“ findet aus guten – auch gartenfachlichen! - Gründen erst im Frühjahr kurz vor dem Neuaustrieb statt. Interessanterweise finden wohl alle Menschen bei einem winterlichen Morgenspaziergang in der Sonne glitzernde frostbereifte Samenstände schön – aber nur in der freien Natur…

Hier muss von uns Naturgärtnerinnen und –gärtnern noch ein bisschen Überzeugungsarbeit geleistet werden.

 

Wer schon einmal beim Kleingartenwettbewerb mitgemacht hat, kennt auch unseren Kriterienkatalog, bei dem die naturgemäße Gartenbewirtschaftung schon bisher einen erheblichen Teil der Bewertungspunkte umfasst, d.h. sie war und ist auch zukünftig die Voraussetzung für eine gute Platzierung der Anlage.

Werden dazu noch die – eigentlich selbstverständlichen – von Natur im Garten geforderten zentralen Voraussetzungen erfüllt – keine Verwendung von Torf sowie chemisch-synthetischer Pflanzenschutz- und Düngemittel – steht einer Auszeichnung als „Naturgarten“ nichts mehr im Wege.

Wir vom Landesverband freuen uns darauf, dass jetzt in ganz Baden-Württemberg die Zahl der zertifizierten Naturgärten kräftig steigt und wir zusammen mit Ihnen unseren Rückstand gegenüber anderen Bundesländern aufholen können.

 

Harald Schäfer, Fachberater